KUNST UND TEXTIL
Aus Vertikale und Horizontale
- aus Kette und Schuss -
ist es zusammengefügt.
Das textile Kunstwerk.
Textilkunst ist Auseinandersetzung mit Form, Farbe, Struktur und Raum;
das Zusammenspiel ergibt die unendlichen Nuancen des Werks.
In der Textilkunst vereinigen sich künstlerische Freiheit und handwerkliche Disziplin.
Mit viel Ausdauer und Zeit entstehen die Bilder.
ZEICHEN
ZEICHEN dienen der Kommunikation
ermöglichen Verständigung
verbinden zwischen Menschen
Epochen
Kulturen
Zeichen weisen auf Geheimnisse hin
Zeichen sind selbst Geheimnisse
Mein künstlerisches Thema sind ZEICHEN.
Intensiv setze ich mich mit Schriftzeichen aus verschiedenen Epochen und Kulturen auseinander.
Daraus entstehen neue Zeichen.
Über Zeichen entsteht Kommunikation.
Sender und Empfänger setzen sich mit dem Inhalt einer Botschaft auseinander.
Jeder mit seiner eignen Seinsweise und seinem Hintergrund.
Vieles bleibt offen.
Zeichen verschlüsseln und entschlüsseln.
Dies ist das Geheimnis, das mich immer wieder aufs Neue fasziniert.
LAUDATIO
Sabine Schmidt-Hofmann, Kunsthistorikerin M.A., Konstanz
Auszüge aus der Rede anläßlich der Ausstellungim Museum an der Kirchsteige in Waldburg
Was aber bewegt Doris Heldmaier, sich der so langwierigen und mühevollen Arbeit des Webens hinzugeben? Das elementare Bedürfnis sich mitzuteilen scheint in ganz besonderem Maßes auf die Arbeiten der Textil- künstlerin zuzutreffen, denn sie setzt sich in ihren Werken ganz explizit und unmittelbar mit dem Thema Kommunikation auseinander.
Dafür bedient sie sich in erster Linie der Zeichen. Zeichen, die unterschiedlichen Kulturkreisen ent- stammen, Zeichen, die in jeder menschlichen Gesell- schaft als Form des Ausdrucks existieren, als Kon- takt genutzt, als Botschaft gesendet und empfangen werden. Seit Jahrtausenden findet Kommunikation über Zeichen statt, sie überspannen entfernte Län- der und weite Zeiträume, aber auch Unterschiede und Gegensätzliches. Lange und intensiv hat sich die Künstlerin mit Schriftzeichen unterschiedlicher Kulturen beschäftigt, bis hin zur Höhlenmalerei. (Beispielsweise: "Botschaft" / 1999 und "Vor langer Zeit" / 2001)
Zeichen existieren auf der ganzen Welt und können überall verstanden werden. Zeichen werden bei Doris Heldmaier zum einigenden Mittel, zur Verbindung mit dem anderen, dem andersartigen, Zeichen setzen Signale, erzeugen Verständnis, schaffen Nähe, kom- men der Sehnsucht nach Symbiose nach. Eine allzu verständliche Sehnsucht, die allem menschlichen Streben zugrunde liegt, das Einssein mit sich, Eins- sein mit Gott, ein Aspekt, der gerade im künstleri- schen Schaffensprozess offenbar wird. Ihre Ausdrucksmittel sind Schrift und Sprache, sie hat ihre eigene künstlerische Sprache entwickelt und gefunden. Die Zeichen sind nicht übernommen, sondern freie Variationen oder Anlehnungen an bereits existierende. So wie jeder Künstler seine eigene Sprache bereits durch das gewählte Medium spricht, so findet die Textilkünstlerin ihre eigene Sprache in der Form von Zeichen. Ein Rest von Geheimnis bleibt dadurch erhalten, das Geheimnis- volle, das allen Dingen innewohnt und das für Doris Heldmaier eine wesentliche Rolle spielt. Program- matische Umsetzung finden diese Gedanken in ihrem Werk "Zeichen verbinden":
Hier sind auf drei langen Bahnen 27 Zeichen frei ein- gewebt. Wunderbar klare Farben der gesamten Farb- palette - ein wichtiges Kriterium vieler Arbeiten - wurden verwandt, jedes Schriftzeichen bekommt seinen eigenen farblich akzentuierten Hintergrund.
Kommunikation findet im Schaffensprozess aber nicht nur nach außen, sondern auch nach innen statt. An den vielen Stunden allein vor dem Webstuhl - denn die Weberei ist sehr zeitintensiv - liebt die Künstlerin vor allem die Ruhe. Die Ruhe, das Spielen und Jonglieren mit den Fäden, den spielerischen Umgang mit dem Arbeitsmaterial. Sie wird auf sich selbst zurückgeworfen, ihre Arbeit ist Kontemplation, Introspektion, innerer Dialog. Sie kommt in ihre Mitte, wie in der Meditation, sie verbindet sich aber gleichzeitig mit der Welt, stellt Symbiose her. "Zwischen Kampf und Meditation" beschriebt sie ihren künstlerischen Schaffensprozess, ein Aspekt, den die meisten Künstler sehr wohl kennen.
Die Arbeiten von Doris Heldmaier zeichnen sich durch eine ungeheure Klarheit aus: Klare Farben, klare Formen, klare Linien. Die Farbigkeit ist von großer Leuchtkraft, wie z.B. das Bild "Vierklang".
Die innere Klarheit, zu der sie durch ihre Arbeit gelangt, schlägt sich auch in ihren Bildern nieder. Die Suche nach Klarheit im Sein und im künstlerischen Ausdruck, ist ein innerer Prozeß, der durch den Schaffensprozess gestützt, untermauert, zum Ausdruck gebracht wird. Ihr Selbstverständnis setzt auf die klare Aussagekraft geometrischer Formen.
Das Material ist der Künstlerin wichtig, Glanz- und Lichtreflexe, die an der Oberfläche entstehen. Die Webstruktur ist sichtbar und fühlbar und tritt doch manches Mal hinter Form und Farbe zurück. Auch die Technik der Leinwandbindung entspringt dem Bedürfnis nach Struktur.
1987 war die Textilkünstlerin mit ihrem Bild "Lichtstreifen" in Ravenna vertreten. Dieser zwei Meter lange Wandbehang unterscheidet sich formal noch sehr von den heutigen Werken. Er ist sehr zart in seiner Wirkung und zeigt noch mehr Pastelltöne. Unterschiedliche Farbtöne laufen ineinander und lassen das Licht durchscheinen. In seiner Wirkung erinnert er an orientalische Wandteppiche.
In der Textilkunst ist die Kreativität der Technik unterworfen, der Ausdruck den technischen Möglichkeiten. Hier vereinigen sich künstlerische Freiheit und handwerkliche Disziplin. Die Gegenständen in den Bildern von Doris Heldmaier sind zumeist frei eingelegt, die Idee muss vor Beginn bereits feststehen, was ein Höchstmaß an Konzentration erfordert. Bis dahin erfolgt jedoch ein häufiges Überarbeiten, denn der Prozeß der Formfindung ist - nach Worten der Künstlerin - ebenso ein innerer, ein Nachspüren. Änderungen sind - im Gegensatz zu den meisten anderen künstlerischen Disziplinen - nicht mehr möglich, wodurch sich die Textilkunst ganz wesentlich von anderen Kunstgattungen unterscheidet.